Wie St. Liudger (fast) zur Emmanuel-Pfarrei wurde

Um die Geschehnisse in unserer Pfarrei besser einordnen und den Protest der Stephanusgemeinde besser verstehen zu können, braucht es einen Blick in die jüngere Geschichte der Pfarrei, die eng mit der Gemeinschaft Emmanuel verbunden ist. Dabei möchten wir ausdrücklich klarstellen, dass die Gemeinschaft Emmanuel für manche Christ:innen eine spirituelle Heimat sein kann und darf. Ihre spezielle Spiritualität und konservative Grundausrichtung sind aus unserer Sicht jedoch nicht geeignet, eine ganze Pfarrei abzubilden.

Wie der Einfluss der Gemeinschaft Emmanuel in unserer Pfarrei immer größer wurde und zu immer größeren Spannungen führte, wollen wir im Folgenden darlegen.

Fusion unter Leitung eines Emmanuel-Priesters

Am 10.04.2016 fusionierten die Gemeinden St. Ludgerus, St. Anna, St. Pantaleon und St. Stephanus zur Großpfarrei St. Liudger. Leitender Pfarrer wurde der Pfarrer der Gemeinde St. Pantaleon und Emmanuel-Priester Dr. Christian Schmitt. Später teilte er sich mit dem Emmanuel-Priester Dr. Timo Weißenberg die Leitung der Pfarrei.

Weitere Mitglieder der Gemeinschaft Emmanuel kommen hinzu

In den folgenden Jahren kamen weitere Mitglieder der Gemeinschaft Emmanuel hinzu: Die Priester Martin Sinnhuber, Cornelius Happel, Franziskus von Boeselager und Cyrus van Vught, sowie auch eine Pastoralreferentin und die leitende Pfarrsekretärin. Auch die leitende Kirchenmusikerin scheint der Gemeinschaft Emmanuel zumindest sehr nahe zu stehen. Da nicht alle Mitglieder der Gemeinschaft Emmanuel mit ihrer Mitgliedschaft offen umgehen, ist nicht immer zweifelsfrei zu eruieren, wer ein Vollmitglied und wer nur ein:e Unterstützer:in ist. Auf den Veranstaltungen der Gemeinschaft Emmanuel im Emmanuel House und beim Forum Emmanuel in Köln findet man jedoch zahlreiche Führungspersonen unserer Pfarrei wieder.

Im Herbst 2020 waren in St. Liudger 4 Emmanuel-Priester, sowie weitere Laien der Gemeinschaft tätig. Für eine Gemeinschaft, die deutschlandweit nach eigenen Angaben 16 Priester hat, ist das eine beeindruckende Zahl. Der einzige aktive Priester aus St. Liudger, der nicht Mitglied der Gemeinschaft Emmanuel war, war mit 50 % Stellenanteil Thomas Laufmöller, Ansprechpartner für St. Stephanus. Wer also zu diesem Zeitpunkt einen Gottesdienst in der Pfarrei besuchen wollte, der nicht von einem der konservativen Emmanuel-Priester zelebriert wurde, der musste die Gottesdienste in St. Stephanus besuchen oder ins Canisiuskloster gehen. Zahlreiche Menschen aus der gesamten Pfarrei machten von diesen Möglichkeiten Gebrauch.

Einfluss auf den Pfarreirat und das Leben in der Pfarrei

Die zahlenmäßige Überlegenheit und die Leitung der Pfarrei durch Priester der Gemeinschaft Emmanuel scheinen über die Jahre auch immer größeren Einfluss auf die Arbeit des Pfarreirates und die Prägung der Pfarrei genommen zu haben: So wurden in den letzten Jahren im Rahmen der Firm- und Kommunionkatechese sogenannte „Alpha-Kurse“ angeboten. Dabei handelt es sich um nicht unumstrittene Glaubenskurse, die auf Neuevangelisierung zielen, ein beliebtes Werkzeug neuer geistlicher Gemeinschaften sind und ursprünglich aus dem Raum der Freikirchen stammen. Weiterhin unternahm der Pfarreirat unter der Leitung eines Mitglieds der Gemeinschaft Emmanuel aus Wien eine mehrtägige Fahrt nach London. Dort wurden vermeintlich wachsende missionarische Kirchen besucht, u. a. auch die Holy Trinity Brompton Church, aus der der o. g. Alpha-Kurs ursprünglich stammt. Auch zur Neuevangelisierungskonferenz „Divine Renovation“ in Fulda entsendete der Pfarreirat Mitglieder.

Über mehrere Monate wurde im Pfarreirat offiziell ein Buch gelesen, das auf Vorschlag des inzwischen zurückgetretenen Pfarreiratsvorstandes an alle Mitglieder verschickt wurde: „Rebuilt - Gläubige aufrütteln, Verlorengegangene erreichen, Kirche eine Bedeutung geben“. Ein Teil des Vorwortes stammt vom damaligen leitenden Pfarrer und Emmanuel-Priester Dr. Christian Schmitt. Zudem empfiehlt Hermann Glettler, Emmanuel-Mitglied und Bischof von Innsbruck, dieses Buch über Missionierung und Neuevangelisierung. Es scheint in seinen Kerngedanken den Vorstellungen der Gemeinschaft Emmanuel zu entsprechen. Es ist dem Pfarreirat natürlich unbenommen, gemeinsam ein Buch zu lesen und Fahrten zu unternehmen. Er darf dabei aber nicht aus den Augen verlieren, dass er “dafür Sorge [tragen muss], dass diese Vielfalt kirchlichen Lebens in geeigneter Weise […] gewährleistet ist” (Statuten für die Pfarreiräte im Bistum Münster, S6).

Im Pfarrbrief aus 2017 liest man, dass die Messdiener:innen aus Roxel bei einer Fahrt nach Fulda ihren „eigenen Ruf zur Heiligkeit“ entdeckten. Im Ruf zur Heiligkeit scheint die Gemeinschaft Emmanuel einen besonderen Schwerpunkt christlichen Lebens zu sehen. Die Fahrt wurde von einem Emmanuel-Priester begleitet.

Dieser Emmanuel-Priester wurde auserwählt, in einem von der katholischen Kirche finanzierten vielbeachteten Blog, sowie in einem Buch gemeinsam mit der Autorin Valerie Schönian über ein Jahr gemeinsame Erfahrungen zu sammeln und zu publizieren. Wer einen Blick in „Valerie und der Priester“ wirft, erkennt die konservative Grundausrichtung dieses Priesters, die typisch für Mitglieder der Gemeinschaft Emmanuel zu sein scheint und nicht als typisch für die gesamte katholische Kirche angesehen werden kann und darf.

Felix Genn betonte am 1. Advent 2020, dass es „vom Pfarreirat den deutlichen Wunsch gibt, dass die […] Tätigkeit in der Seelsorge (durch die Gemeinschaft Emmanuel, Anm. d. Redaktion) weiter fortgeführt wird.“ Dem Wunsch der ganzen Pfarrei entsprachen diese Äußerungen ganz offensichtlich nicht.

Alles Emmanuel?

Die zahlenmäßige Überlegenheit der Emmanuel-Priester, die leitenden Pfarrer aus der Gemeinschaft Emmanuel, weitere Mitglieder der Gemeinschaft in Schlüsselpositionen der Pfarrei, ein Pfarreirat, der sich die Fortsetzung der Seelsorge durch die Gemeinschaft Emmanuel wünscht, einschlägige Fahrten nach London und Fulda, Alpha-Kurse und der „Ruf zur Heiligkeit“: Hier wird klar, wie sehr die Ausrichtung unserer Pfarrei seit 2016 immer stärker den Vorstellungen der Gemeinschaft Emmanuel angepasst wurde.

Die eigene religiöse Ausrichtung frei leben zu dürfen, ist ein Grundrecht in unserem Staat und absolut unterstützenswert. Eine Pfarrei aber ist keine Privatangelegenheit für einen erlesenen Zirkel, sondern hier sollten sich alle Menschen katholischer Konfession wiederfinden können. Der Pastoraltheologe Dr. Andreas Gessmann schreibt dazu: „Die in der Pastoral verantwortlichen Personen sollten sich dafür einsetzen, dass Pfarreien sich nicht zu uniformierten Monokulturen entwickeln, bei denen ein kommunikatives Glaubensmilieu die Spiritualität der gesamten Gemeinde ausschließlich prägt.”

Zwangsversetzung und Proteste

Zu diesem Zeitpunkt war durch die Existenz der Stephanusgemeinde mit ihrem Pfarrer Thomas Laufmöller als einzigem Priester, der nicht der Gemeinschaft Emmanuel angehörte, eine gewisse Vielfalt in der Pfarrei (noch) sichergestellt.

Nun erreichten den Bischof offenbar „Stimmen“, die sich gegen Thomas Laufmöller aussprachen und bei der Zwangsversetzung dieses einzigen aktiven liberalen Priesters in unserer Pfarrei offenbar ein gewisses Gewicht hatten, wie Bischof Genn im Januar 2021 zugegeben hatte. Am 1. Advent 2020 lässt Felix Genn verkünden, dass Thomas Laufmöller St. Liudger verlassen muss. Zunächst versucht das Bistum, diese Zwangsversetzung als ganz normalen Prozess zu verkaufen, behauptet sogar, die Versetzung erfolge gar nicht gegen den Willen des Priesters. Erst, als diese Haltung absolut nicht mehr plausibel ist und Laufmöller explizit sagt, dass er gern in St. Stephanus geblieben wäre und die Proteste gegen die Zwangsversetzung anhalten, ändert das Bistum seine Kommunikationsstrategie und macht Laufmöller zum Sündenbock, indem es ihm vorwirft, die Fusion blockiert zu haben. Innerhalb weniger Tage musste er im März 2021 seine Wohnung verlassen.

Vorwürfe gegen Laufmöller und die Gemeinde St. Stephanus

Im April 2021 begründet das Bistum nach zahlreichen widersprüchlichen Aussagen die Zwangsversetzung damit, dass Thomas Laufmöller die Fusion der Gemeinden „blockiert“ habe. In ähnlicher Weise hatten sich auch die Priester der Gemeinschaft Emmanuel geäußert, mit denen wir nach zahlreichen Gottesdiensten gesprochen hatten. Eine Mediation hatte trotz der offensichtlich bekannten Probleme jedoch zu keinem Zeitpunkt stattgefunden.

Bestand die „Blockadehaltung“ etwa darin, dass Thomas Laufmöller und die Stephanusgemeinde nicht oft genug bei den Veranstaltungen der Gemeinschaft Emmanuel mitgemacht hatten? Dass er und wir nicht an Alpha-Kursen und Emmanuel-Fahrten teilnahmen? Dies wurde uns in Gesprächen vorgeworfen. War Thomas Laufmöller den Konservativen ein Dorn im Auge? Ist die Stephanusgemeinde den Konservativen auch jetzt noch ein Dorn im Auge? Das Verhalten der Pfarreiratsmitglieder, die sich die Fortsetzung der Seelsorge durch die Gemeinschaft Emmanuel gewünscht hatten, legt dies nahe.

Erwähnenswert ist noch, dass Bischof Felix Genn ein großer Befürworter dieser konservativen und bischofstreuen Gemeinschaft ist: Seine Privatsekretäre erwählt er seit über zehn Jahren aus der Gemeinschaft Emmanuel. Seit über zehn Jahren sind diese Privatsekretäre auch zu irgendeinem Zeitpunkt Priester in unserer Großpfarrei gewesen. Auch der zum Zeitpunkt der Zwangsversetzung von Laufmöller leitende Pfarrer von St. Liudger war selbst Jahre zuvor bischöflicher Privatsekretär. Und auch der aktuelle Privatsekretär, Jörg Niemeier, ist Emmanuel-Priester und war schon in St. Liudger tätig. Wurde der Bischof über die Verhältnisse in der Pfarrei objektiv unterrichtet? Oder blickt man vom Domplatz aus seit Jahren durch die Emmanuel-Brille auf St. Liudger?

Neben Bischof Felix Genn ist der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki ein großer Befürworter der Gemeinschaft Emmanuel: Auf seinen Wunsch hin verließ der frühere leitende Pfarrer von St. Liudger Dr. Christian Schmitt unsere Pfarrei, um in St. Aposteln seelsorgerisch tätig zu werden. Auch in St. Aposteln kam es in der Folge offenbar zu Schwierigkeiten, so dass die Gemeinschaft Emmanuel zu Herz Jesu wechselte. Dr. Christian Schmitt wurde derweil auf eine leitende Funktion im Bistum Münster berufen.

Und jetzt?

Mit der Zwangsversetzung von Thomas Laufmöller ist das Zusammenspiel der konservativen und liberalen Kräfte in unserer Pfarrei in eine dramatische Schieflage geraten. Die Folgen sind bekannt: anhaltendes Engagement der Stephanusgemeinde für eine menschenfreundliche und glaubwürdige Kirche.

Vier neue Seelsorger:innen werden an diesem Wochenende das bisherige Seelsorgeteam ergänzen, dem auch weiterhin Mitglieder der Gemeinschaft Emmanuel angehören.

Wir sind auf ihren Beitrag zu einer toleranten und vielfältigen Pfarrei gespannt und wünschen ihnen dazu Gottes Segen und einen guten Start!

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Einführung der neuen Seelsorger:innen

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Abschiedsgedanken