Die Gemeinschaft Emmanuel

Aufgrund zahlreicher Anfragen zur Gemeinschaft Emmanuel (GE), die in unserer Großpfarrei von 2016 bis 2021 ALLE Priester (außer den im März 2021 zwangsversetzten Pfarrer Laufmöller) und auch immer den leitenden Pfarrer stellte, werden wir hier nach und nach Informationen über diese neue geistliche Gemeinschaft sammeln.

Warum das Engagement der Gemeinschaft Emmanuel in unserer Pfarrei St. Liudger aus unserer Sicht äußerst kritisch zu betrachten ist, können Sie hier nachlesen.

Wer ist Mitglied der Gemeinschaft Emmanuel?

Die GE („Emmanuel“ = „Gott mit uns“) ist eine sogenannte “Neue” Geistliche Gemeinschaft - sie wurde 1972 gegründet. Weltweit hat die GE über 11000 Mitglieder. Die meisten Mitglieder sind Laien. In ganz Deutschland gibt es nach Angabe der Gemeinschaft 16 Priester, die der Gemeinschaft angehören. In Münster sind oder waren tätig Martin Sinnhuber (bis 2022 Subsidiar in St. Liudger), Cornelius Happel (bis 2021 Pastor in St. Liudger), Jörg Niemeier (aktuell bischöfl. Privatsekretär), Dr. Christian Schmitt (Vorsitzender der Caritas im Bistum, ehem. ltd. Pfarrer St. Liudger, Domvikar), Cyrus van Vught (aus den Niederlanden, bis 2021 Pastor in St. Liudger), Dr. Timo Weissenberg (aktuell in Köln, ehem. bischöfl. Privatsekretär, ehem. ltd. Pfarrer St. Liudger) und Franziskus von Boeselager (aktuell in Köln). Von 16 Priestern in ganz Deutschland sind aktuell mindestens 4 in der Stadt Münster und sind oder waren 6 in der Pfarrei St. Liudger tätig (ALLE hier genannten Priester sind oder waren in St. Liudger tätig). Zudem befinden sich mit dem Domvikar Dr. Christian Schmitt und dem bischöflichen Privatsekretär Jörg Niemeier zwei Emmanuel-Priester im unmittelbaren Umfeld des Bischofs von Münster.

“Standbeine” der Gemeinschaft Emmanuel in Deutschland

Das Zentrum der GE in Deutschland ist Altötting. Dort findet jedes Jahr ein großes internationales Forum statt. Außerdem unterhält die Gemeinschaft dort die „Emmanuel School of Mission“ (ESM), in der sich junge Erwachsene zwischen 18 und 30 Jahren aus der ganzen Welt als Missionar*innen ausbilden lassen können, sofern das Leitungsteam „den Ruf Gottes“ für die Bewerber*innen hört. (Anm.: diese Formulierung wurde nach der Veröffentlichung dieses Dossiers auf der Website der ESM gelöscht).
Darüber hinaus sind der Gemeinschaft in vier Bistümern Pfarreien anvertraut: in München, Nürnberg, Köln und bis zum Weggang Dr. Timo Weißenbergs in Münster unsere Pfarrei St. Liudger.

Was will die Gemeinschaft Emmanuel?

Die GE möchte das Christsein stärker in den Alltag der Menschen bringen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Missionierung und Neu-Evangelisierung, auf “Glaubenswissen und frommer Innerlichkeit”. Gottesdienste in der Gemeinschaft haben einen Schwerpunkt im Bereich “Lobpreis” und “Anbetung”. Häufig gibt es einen “Impuls”. In Münster möchte die GE im Rahmen der “City Pastoral” im “Emmanuel House” junge Menschen, v.a. Studierende für die Gemeinschaft begeistern. Die GE tritt modern auf und orientiert sich inhaltlich eng am Katechismus.

Das klingt doch gut, oder?

Probleme können entstehen, wo solche Gemeinschaften auf Christ*innen bzw. Gemeinden treffen, die ein anderes starkes theologisches Profil haben, die sich z. B. auch kritisch mit kirchenlehramtlichen Glaubenssätzen auseinandersetzen, beispielsweise zur aktuell viel diskutierten Segnung homosexueller Paare. Die neuen geistlichen Gemeinschaften “fordern teilweise einen strukturellen Wandel oder Paradigmenwechsel in der pfarrlichen Identität. Das führt natürlich zu massiven Konflikten.” (Dr. A. Gessmann im Interview auf katholisch.de)

Ist es dann sinnvoll, eine Pfarrei in die Hände einer neuen geistlichen Gemeinschaft zu geben?

ZdK-Präsident Prof. Sternberg hält dies nicht für sinnvoll. Auch der auf diesem Gebiet äußerst bewanderte Pastoraltheologe Dr. A. Gessmann schreibt in seiner Dissertation “Die in der Pastoral verantwortlichen Personen sollten sich dafür einsetzen, dass Pfarreien sich nicht zu uniformierten Monokulturen entwickeln, bei denen ein kommunikatives Glaubensmilieu die Spiritualität der gesamten Gemeinde ausschließlich prägt.”

Wie steht die Gemeinschaft Emmanuel zum vieldiskutierten Thema Homosexualität?

In einer Arte-Dokumentation aus 2019 (ab Min. 35:00) wird berichtet, dass die GE auf ihren Jahrestreffen mehrfach über die Organisation “Courage” für Konversionstherapien für Homosexuelle geworben habe. Sie bietet zudem oft Veranstaltungen speziell für Männer an. Mitglieder der Gemeinschaft äußern sich auch öffentlich in einer für viele Menschen schwierigen Art und Weise über Homosexualität: Es sei gefährlich “wenn in Schulbüchern zu sehen ist, wie Jungen andere Jungen küssen”. Damit vertreten sie allerdings die offizielle Lehrmeinung des Vatikans („homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen“).

Was bedeutet ihr Ruf zur Heiligkeit?

Die GE nimmt den Ruf zur Heiligkeit sehr ernst. In seinem Impuls vom 4.11.2021 beschreibt Jörg Niemeier diesen Ruf als Aufgabe, Himmel und Erde miteinander zu verbinden und so zu leben, wie Jesus gelebt hat. Je mehr Nähe zu Gott der Mensch schaffe, desto heiliger sei er. Dazu brauche es keine Spezialisten, sondern es gehe auch „ein Mensch mit Knickauge“ (Schwester Euthymia) oder „ein Mensch, der eigentlich immer grummelig guckt“ (Kardinal von Galen). Wir werden nämlich in unseren Macken heilig. Als Beispiel der Verwirklichung von Heiligkeit nennt Niemeyer Werke der Liebe, die nicht von den Stärken des Nächsten ausgelöst werden.

Dr. Christian Schmitt bestätigt diese Sicht in seiner Predigt vom 31.12.2023 im Münsteraner Dom, in der er eine Familie dann als heilig charakterisiert, wenn in ihr selbstlose Liebe geübt wird. Das sei wahrhaft christliche Liebe – im Gegensatz zur erotischen Liebe, in der ein Mensch den anderen braucht. Solch eine Familie besteht für Schmitt aus Vater, Mutter und Kindern. Selbstverständlich gibt es auch andere Formen von Beziehungen, „die wir natürlich respektieren”, die aber nicht mit dem verglichen werden können, was “wir unter dem Ideal einer christlichen Familie verstehen”, so Schmitt. Dabei hebt er hervor, dass eine Frau ihr Potential nicht ausschöpft, wenn sie keine Mutter wird. Erst durch das Muttersein werde die Frau ganz zur Frau, erst durch das Vatersein der Mann ganz zum Mann. Oftmals gebe es in der Gesellschaft Tendenzen, diesen Gedanken beiseite zu schieben. Irgendwann sei es dann zu spät und die Uhr sei abgelaufen. Solch eine heilige christliche Familie sei das Fundament der Demokratie, weil für die Demokratie wichtig sei, dass das Gute aus freien Stücken getan wird. Das sei in der heiligen Familie der Fall. Wenn das Zusammenkommen von Freiheit und Bindung nicht in der Familie eingeübt wird, stehe Putin vor der Tür. Wer die Demokratie nicht zugrunde gehen lassen und nicht in einer Zwangsgesellschaft leben will, müsse sich an die Familie halten. Oder um es mit den Worten von Jörg Niemeier zu sagen: der muss Gott sein Gesicht leihen und heilig werden.

Neben aller Toleranz für die Positionen Andersdenkender muss auf jeden Fall darauf hingewiesen werden, dass Josef Pieper bereits 1972 in seiner Schrift Über die Liebe gezeigt hat, dass christliche Liebe nicht völlig selbstlos sein kann und Selbstlosigkeit daher nicht der Weg zur Nähe Gottes und folglich auch nicht der Weg zur geforderten Heiligkeit ist. Vor allem die Darstellungen von Dr. Schmitt sind in Teilen populistisch, menschenverachtend und frauenfeindlich. Sie gehen außerdem an der Lebensrealität vieler Menschen vorbei, die diese Gedanken als verletzend empfinden könnten. Zu nennen wären beispielsweise Männer und Frauen, die aufgrund von Krankheiten keine Kinder zeugen oder bekommen können.

Gab es schon öfter Probleme in Pfarreien mit der Gemeinschaft Emmanuel?

Auffällige Parallelen gibt es zur Versetzung eines Pfarrers aus St. Edith Stein (Mauritz) 2012. Damals protestierten ebenfalls viele Gläubige auf dem Domplatz “Für Vielfalt”. Auch damals war ein Priester der Gemeinschaft Emmanuel leitender Pfarrer von St. Mauritz. Ein Gemeindemitglied von damals wird zitiert mit: „Wir brauchen Priester, die uns bestärken, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen und nicht die Befolgung kirchlicher Vorschriften oder der teilweise völlig weltfremden Kirchensprache.“ Auch in Köln wechselte die GE zuletzt von St. Aposteln an den Zülpicher Platz. Dort heißt es u. a. “Beide Seiten haben sich viel Mühe gegeben, die Profile miteinander zu kombinieren. Aber es hat sich herausgestellt, dass wir uns mehr behindern als fördern.”

Wie finanziert sich die Gemeinschaft Emmanuel?

Die GE ist in Deutschland der Rechtsform nach ein eingetragener Verein (e.V.). Für eine zeitgemäße Einwerbung von Spenden, auf die die Gemeinschaft nach eigener Auskunft zur Aufrechterhaltung ihres Engagements angewiesen ist, hat sie sich beim Internetriesen Amazon registriert: Jeder Einkauf über smile.amazon.de, bei dem der Käufer die GE als spendenbegünstigt einträgt, generiert automatisch 0,5 Prozent des Einkaufswertes als Spende an den Verein, ohne dass der Käufer etwas dafür bezahlen muss. 

In Münster genießt die GE bereits im zweiten Jahr in Folge die Förderung des Projekts „Emmanuel House“ durch das Bistum Münster. So wurden in den Haushalt 2020 (S. 154) 25.000 Euro und in den Haushalt 2021 (S. 156) 26.000 Euro eingestellt. Spendenaufrufe der Gemeinschaft im Anschluss an die über Youtube gestreamten „Emmanuel Meetings“ dienen der Verbesserung des Streamings.

Zusätzlich hat das Bonifatiuswerk, das Projekte in der Diaspora („zahlenmäßige und Glaubensdiaspora“) fördert, das Projekt „Emmanuel House“ im November 2020 mit 27.072 Euro unterstützt. Zu diesem Zeitpunkt war ein Mitglied des Bonifatiusrats und des Vorstands des diözesanen Bonifatiuswerkes des Bistums Münster gleichzeitig im Pfarreirat der Pfarrei St. Liudger. Das Bonifatiuswerk bat um Klarstellung, dass keines dieser Gremien in die Prüfung und Entscheidung über die Förderung dieses Projektes involviert war.

Die Gemeinschaft Emmanuel und der Umgang mit Kritik

Der Gründer Pierre Goursat formulierte es ganz klar: „on ne se critique pas, même en plaisantant“ („Wir kritisieren einander nicht, auch nicht im Spaß.“). Ohne das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Äußerung von Kritik wäre unsere Demokratie nicht denkbar. Die Negierung von Kritik schafft einen rechtsfreien Raum, hier kaschiert unter dem Deckmantel des Vertrauens: „Diese Regel wird die Geschichte der Gemeinschaft begleiten und äußerst fruchtbar sein. Sie wird die Gemeinschaft gründen, denn wenn wir uns nicht kritisieren, dann weil wir Vertrauen in unsere Brüder haben, manchmal gegen alle Widerstände.

Wo steht die Gemeinschaft Emmanuel politisch?

Der Blick nach Frankreich bereitet Sorge: Dort sympathisiert Dominique Rey, Bischof von Fréjus-Toulon und Emmanuel-Mitglied offenbar mit dem Front National: Im August 2015 hatte er die FN Politikerin Marion Maréchal Le Pen zu einer Akademieveranstaltung in sein Bildungshaus nach Sainte-Baume eingeladen. Dort konnte sie ungehindert ihre Ideologie kurz vor den Regionalwahlen verbreiten: Für den FN stimmten dann in der Provence und Umgebung 45 % aller Wähler. „Bischof Rey hat auch zur Banalisierung des FN beigetragen“, schreibt der Theologe Christian Terras. (vgl. dazu auch katholisch.de „Die zarteste Versuchung“). Für den Fall, dass diese Sympathie auf einen einzelnen Emmanuel-Geistlichen beschränkt ist, sucht man eine Distanzierung zu dieser Haltung jedoch bislang vergebens. Das ist möglicherweise der Haltung der Gemeinschaft zur Kritik (s. o.) geschuldet.

Was hält Bischof Genn von der Gemeinschaft Emmanuel?

Sowohl sprachlich als auch in der Besetzung von wichtigen Positionen drückt der Bischof seine Wertschätzung für die Gemeinschaft Emmanuel deutlich aus: Mit Dr. Timo Weissenberg und Jörg Niemeier bekleiden inzwischen seit fast zwölf Jahren Emmanuel-Anhänger die Position des bischöflichen Kaplans und Privatsekretärs. 2014 besuchte Felix Genn das Jahrestreffen der GE in Altötting und zelebrierte dort auch. 2018 bat der Bischof die GE außerdem, sich in die „City Pastoral“ in Münster einzubringen. Mit dem Aufbau des daraufhin entstehenden Projekts „Emmanuel House“ begründete Martin Sinnhuber 2020 seine Stundenreduzierung (Pfarrbrief S. 2) in der durch viele personelle Wechsel strapazierten Pfarrei St. Liudger auf Null Prozent .
Und mit Dr. Christian Schmitt bat Bischof Genn einen Emmanuel Priester auf eine sehr einflussreiche Position im Caritasverband, die die Verwaltung von viel Geld einschließt. Im Jahr 2022 wurde Dr. Christian Schmitt sogar zum Domvikar ernannt.

Kann ein Bistum mit dem Einsatz von Emmanuel-Priestern in seinen Pfarreien verlässlich rechnen?

Vor dem Hintergrund des Priestermangels wird ein Bistum die Unterstützung durch Priester der GE gerne annehmen. Um jedoch sicherzustellen, dass der Ruf der Ortskirche die Verfügbarkeit für die universelle Mission der Kirche nicht einschränkt, hat die GE 2017 die Klerikervereinigung errichtet, in der die Priester und Diakone der Gemeinschaft vereint sind. Mit dem darin verankerten Recht der Gemeinschaft, selber Priester zu inkardinieren, ist die GE in den Gesprächen mit den Diözesen in einer neuen Position. Damit kann die Gemeinschaft ihre im Dienst der Diözese stehenden Priester jederzeit in ihren eigenen Dienst zurückbeordern und damit dem Zugriff des Bistums entziehen.
Seit der Fusion zur Pfarrei St. Liudger 2016 haben vier Emmanuel-Geistliche die Pfarrei de facto verlassen, um sich Projekten der GE zu widmen.

Was sagt Papst Franziskus zur Gemeinschaft Emmanuel?

Grundsätzlich unterstützt Papst Franziskus den missionarischen Einsatz der Gemeinschaft Emmanuel, scheint aber auch die Gefahr von Elitedenken und Exklusivismus zu sehen: Zum einen ermahnte er die Priester der Gemeinschaft, sich nicht von den Laien zu isolieren und zum anderen wünschte er sich eine Anbindung der Gemeinschaft an die Pfarreien vor Ort. Dass sie ganze Pfarreien in ihrem Sinne leiten und umgestalten sollte, wünschte der Papst sich nicht. Vor dem Hintergrund der Thematik geistlichen Missbrauchs, der aus Sicht einiger Expert*innen auch und gerade in neuen geistlichen Gemeinschaften begünstigt werden könnte, verordnete Papst Franziskus 2021 in einem Dekret einige Einschränkungen, um Personenkult, geistlichem und sexuellem Missbrauch entgegenzuwirken. Dieses Dekret hat Gültigkeit für über 100 Gemeinschaften, u. a. auch für die Gemeinschaft Emmanuel.

Dem Bischof von Frejus-Toulon, Dominique Rey, der eines der prominentesten Mitglieder der Gemeinschaft Emmanuel ist, hat der Papst im Juni 2022 die Weihe der Priesteramtskandidaten des aktuellen Jahrgangs untersagt. Dies wurde von internationalen Medien als Zeichen gegen die offenbar zu wenig kontrollierte Weihepraxis des Bischofs interpretiert: In internationalen Medien ist von “Mängeln in der Ausbildung oder mangelnder Eignung der Kandidaten” die Rede. Das Verbot erfuhr aufgrund seiner Einmaligkeit und aufgrund des Zeitpunkts große Beachtung: 2022 feierte das Priesterseminar von Frejus-Toulon sein 100jähriges Bestehen.