Offener Brief an die Stephanusgemeinde

25.04.2021

Liebe Mitglieder der Stephanusgemeinde,

als langjährige Mitglieder des Kirchenvorstandes von St. Stephanus wurden wir 2016 in den Verwaltungsrat der neu gegründeten Pfarrei St. Liudger berufen und 2018 in den neuen Kirchenvorstand gewählt. Wir wenden uns an Sie, weil uns die derzeitige Situation in St. Stephanus große Sorgen bereitet und wir uns Gedanken um die Zukunft der Gemeinde machen.

Die Stephanusgemeinde durchlebt momentan die schwierigste Phase ihrer 55-jährigen Geschichte: bereits vor fünf Jahren verlor sie im Rahmen der Fusion mit den drei anderen Gemeinden in Albachten, Mecklenbeck und Roxel rechtlich ihre Selbstständigkeit und nun wurde zum 19. März Thomas Laufmöller als beliebter und inspirierender Pastor abberufen.

Thomas Laufmöller hat das Leben der Gemeinde nach einer Zeit der Stagnation erneut zu großer Blüte gebracht, sichtbar zum Beispiel in der großen Zahl der Gottesdienstbesucher oder der Zahl derer, die sich ehrenamtlich in den verschiedensten Bereichen engagieren. Dies hängt mit seiner persönlichen Ausstrahlung und seiner Überzeugungskraft zusammen, aber auch damit, dass er in der Aaseestadt fest verwurzelt war und einen lebendigen Kontakt zu allen Altersgruppen pflegte, von den KiTa-Kindern angefangen bis hin zu den Senioren. Was unsere Zusammenarbeit im ehemaligen Kirchenvorstand angeht, so war sie eng und vertrauensvoll: Dank seiner Initiativen zählt unsere Kirche nach wie vor zu den schönsten und beeindruckendsten Gotteshäusern der Stadt. Und dadurch, dass Thomas Laufmöller verstärkt Menschen dafür gewinnen konnte, ehrenamtlich Dienste zu übernehmen, insbesondere im Bereich der Küstertätigkeit oder der Präsenz im Pfarrbüro, konnten die vom Bistum vorgegebenen Sparmaßnahmen eingehalten und ein ausgeglichener Haushalt beibehalten werden.

Die Entscheidung des Bistums, den Weggang des Leitenden Pfarrers von St. Liudger zum Anlass zu nehmen, mit einem neuen Priesterteam einen Neuanfang zu setzen und in diesem Zusammenhang Thomas Laufmöller als Seelsorger aus St. Stephanus abzuberufen, hat uns aufs äußerste empört. Natürlich sind die Pastöre nicht Eigentum der Gemeinden und umgekehrt die Gemeinden nicht Eigentum der Pastöre; natürlich gibt es insbesondere angesichts des zunehmenden Priestermangels die Notwendigkeit von Versetzungen. Es geht uns nicht darum, an irgendwelchen Privilegien festzuhalten. Hätte man Thomas Laufmöller befördert oder an eine Stelle versetzt, wo er dringend gebraucht würde, wären wir traurig gewesen, hätten aber die Entscheidung des Bistums letztlich akzeptiert. Da aber weder der erhöhte Einsatz in der Friedensschule noch seine Versetzung nach Wolbeck eine höhere Dringlichkeit aufweisen als sein Verbleib in St. Stephanus, müssen wir davon ausgehen, dass Thomas Laufmöller aus strukturellen Überlegungen heraus versetzt wurde oder weil er anderen im Weg stand.

Strukturelle Überlegungen haben ihre Berechtigung, aber sie haben den Menschen zu dienen und nicht umgekehrt. Ähnlich verhält es sich in einer Gemeinschaft von Gemeinden. Die Großpfarrei ist kein Selbstzweck; sie hat gegenüber den Ortsgemeinden eine dienende Funktion, d. h. sie springt immer dort ein, wo die Ortsgemeinde die erforderlichen Aufgaben aus eigener Kraft nicht bewältigen kann. In diesem Sinne wurde die Funktionsfähigkeit der Pfarrei auch von unserer Gemeinde voll unterstützt: So arbeiten z.B. im KiTa-Bereich, in der Frauengemeinschaft, der Caritas oder der Eine-Welt-Arbeit unsere Vertreter/innen mit den anderen Gemeinden gut zusammen und Ähnliches gilt auch für unser Gremium, den Kirchenvorstand. Auch Thomas Laufmöller hat die Pfarrei signifikant unterstützt: mit seiner halben Stelle hat er die anfallenden seelsorglichen Aufgaben in St. Stephanus sehr erfolgreich wahrgenommen und damit den anderen Seelsorgern ein Viertel der Arbeit abgenommen, so dass diese sich mit ihren zwei Priester- und zwei Pastoralreferenten-Stellen ganz auf die restlichen drei Viertel konzentrieren konnten. Leider hat ihm das niemand wirklich gedankt.

Wir halten die Abberufung von Thomas Laufmöller für eine Fehlentscheidung und plädieren dafür, die Verantwortlichen nicht aus ihrer Verantwortung zu entlassen und Transparenz und Aufklärung zu verlangen. Wir können auch gut verstehen, dass viele ihre Ämter niederlegen oder sich resigniert zurückziehen, weil sie glauben, nicht einfach so weitermachen zu können, als wäre nichts geschehen. Nur, wem nützt es, wenn hier alles zusammenbricht, außer vielleicht denen, denen St. Stephanus schon immer ein Dorn im Auge war?

Gerade in schwierigen Zeiten ist es wichtig, sich auf die Mitte zu konzentrieren und die Mitte von St. Stephanus ist nicht der Pastor oder der Bischof, die Mitte sind nicht die Gremien und auch nicht die Gläubigen und deren Wohlbefinden. Die Mitte ist unser Herr und der Auftrag, in Wort und Tat Zeugen der frohen Botschaft des Evangeliums zu sein. Drei Pfarrer haben seit der Gründung der Gemeinde sich mit all ihrer Kraft für diese Mitte eingesetzt und viele, viele Ehrenamtliche. Sie haben St. Stephanus zu dem gemacht, was die Gemeinde ist: ein Ort lebendiger Seelsorge. Und das sollte sie auch bleiben!

Wir Vertreter/innen des Kirchenvorstandes plädieren dafür, dabei das Besondere, für das die Seelsorger und Seelsorgerinnen und Laien in all den Jahren gestanden haben, aufzugreifen und in der Gegenwart mit Leben zu füllen: es sind vor allem zwei Merkmale, die die Seelsorge in St. Stephanus von Anfang an prägten: die Orientierung am 2. Vatikanischen Konzil und das Bemühen, den Menschen Heimat zu geben.

  • Wenn es ein „Konzils-Gen“ gäbe, besäße es die Stephanusgemeinde. Ihre Kirche wurde wenige Tage nach der Beendigung des Zweiten Vatikanums geweiht; das Gotteshaus und das gesamte Ensemble rund um den Kirchplatz wurden als Musterbeispiel für eine gelungene Umsetzung der neuen theologischen Ausrichtung unter Denkmalschutz gestellt. Des Öfteren sprach Weihbischof Ostermann davon, dass sie als junge Priester bei den Überlegungen zur konkreten Umsetzung der Konzilsideen sich regelmäßig an der Praxis in St. Stephanus orientiert hätten. Zugewandtheit zu den Menschen, Freiheit, Toleranz und Weltoffenheit sind St. Stephanus in die Wiege gelegt und sind für das Gemeindeleben bleibende Verpflichtung!

  • Als die Stephanusgemeinde in der neuerbauten Aaseestadt gegründet wurde, waren alle, die sich ihr anschlossen, ausnahmslos Zugereiste, und es war eines der Hauptanliegen des Gründungspfarrers Heinz Löker und seiner Nachfolger, den bunt zusammengewürfelten Menschen Heimat zu geben. Dies bedeutete, in der Gemeinde zu wohnen, die Menschen kennen zu lernen und Beziehung zu ihnen aufzubauen; mit ihnen zu leben und sie über die einzelnen Stationen des Lebens, von der Taufe bis hin zur Beerdigung, zu begleiten.

In diesem Sinne möchten wir uns dafür einsetzen, dass die Stephanusgemeinde einen Seelsorger/eine Seelsorgerin erhält, der/die sich der Tradition des Konzils und dem darin grundgelegten Aufbruch verpflichtet fühlt und entsprechend dem Beheimatungsgedanken bereit ist, in der Stephanusgemeinde selbst Heimat zu finden und der Gemeinde Heimat zu geben durch den Kontakt zu den Menschen aller Schichten, Altersgruppen und Familienkonstellationen.

Sie als Gemeindemitglieder bitten wir ausdrücklich darum, ein einladendes und kreatives Gemeindeleben im Rahmen der ehrenamtlichen Tätigkeit aufrechtzuerhalten. Wir appellieren an Sie, Ihre Ämter und Ihr Engagement zu behalten: von der Jugend-, Frauen- und Seniorenarbeit bis hin zu ganz konkreten Diensten im Rahmen der Lektoren- und Kommunionhelferaufgaben, der Liturgie-, Katecheten- und Bibelkreise, der Kirchenmusik, der Hausmeister- und anderer Aufgaben bis hin zum Festausschuss oder der Unterstützung des Pfarrbüros. Wir denken, dass wir dies Thomas Laufmöller und den übrigen Seelsorgern und Seelsorgerinnen und engagierten Laien in St. Stephanus schuldig sind. Dies sei unser Dank!

Kristin Backhaus, Klaus Hülsken, Monika Schulte-Ludwig und Norbert Wilbertz

Zurück
Zurück

Bistumspriester sind keine Leibeigenen

Weiter
Weiter

Brief an Bischof Bätzing