Adventserlebnisse

Münsters gut besuchte Innenstadt. Ich bin auf der Salzstraße unterwegs. Da sitzt er wieder: im Rollstuhl, ärmlich gekleidet und zitternd. Man läuft lieber daran vorbei; ich auch. Aber eines Tages stutze ich: Heißt es nicht, dass Jesus in den Armen… Und werfe eine Münze in den Hut. "Danke, alles Gute", kommt es warm und freundlich zurück. Ich bin überrascht. Die Stimme passt so gar nicht zum Anblick. Beim nächsten Mal halte ich sekundenkurz inne und lächele ihm zu. Das kostet Überwindung bei seinem Anblick. Doch wieder erreicht mich ein warmer, freundlicher Dank. Kurz halte ich inne, stutze. Mir wird bewusst, wie sehr ich nach dem Äußeren urteile. Und beschließe, ich spende jetzt weiter etwas Geld und ein Lächeln. Warum denn nicht? So gedacht und getan.

Eines Tages ruft er mich: "Haben Sie einen kurzen Moment Zeit?" "Ähh, jaha…" Er wünscht, einen Hotdog zu essen. Aha, denke ich, nicht begeistert, und Wie teuer ist das denn? und Ausnutzen lass ich mich jetzt aber nicht. Inmitten meiner Gedanken kommt mir wieder Jesus in den Sinn, seltsam… Er bekommt seinen HotDog, bedankt sich und ruft mir noch zu: "Nächstes Mal bin ich dran". Ich lache verlegen und rufe: "Nein, nein, das brauchen Sie nicht". Dann stutze ich und begreife, vielleicht geht es gar nicht um den HotDog. Hmmh, denke ich. Ja, will ich denn angesprochen werden? Und wenn es wirklich Jesus...? Ich nehme mir vor, beim nächsten Mal vorsichtig ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Gesagt, getan. Ein paar Worte. Es ist etwas mühsam. Er zittert und hält den Kopf gesenkt. Wohl aus gesundheitlichen Gründen. Ich fühle mich etwas unsicher. Hoffentlich sieht mich keiner, der mich kennt, denke ich. Und schäme mich sogleich für meine Gedanken. Ob er einen Kakao möchte, frage ich schließlich. Ja, möchte er.

Als ich zurückkomme, hat er Besuch. Etwas in mir freut sich still darüber. Der Kakao wird begeistert kommentiert und ich verabschiede mich. Merke im Weggehen noch, dass mich irgendetwas berührt, ohne dass ich es deuten kann. Mit der Zeit erfahre ich, er heißt Heinz*. "Am 10.12. habe ich Geburtstag", verrät er mir. Aha. Ich merke mir das. Zum Geburtstag gratuliert man schließlich. Am Nachmittag des Tages sitzt er wieder da. Ich geselle mich zu ihm, gratuliere. Wir sprechen kurz und ich spendiere ihm erneut einen Kakao. Den genießt er, wenn auch mit zitternden Händen. Viele Menschen hasten vorbei, einige mustern uns kurz. Mir ist etwas flau in meiner Rolle, aber ich bleibe. Schließlich hat er Geburtstag. Und kneifen will ich auch nicht. In der Zwischenzeit fängt es an zu nieseln.

Da kommen drei Frauen vorbei, werfen Geld in seinen Hut. Offensichtlich kennen sie ihn. "Wo ist denn dein Schirm, den ich dir geschenkt habe?”, fragt eine davon. "Zuhause", grinst er verlegen. "Heinz hat heute Geburtstag", sage ich, einer Eingebung folgend. "Aaahhh", tönt es begeistert zurück. Und drei temperamentvolle Frauen gratulieren ihm. Ich beobachte ihn verstohlen von der Seite. Seine Augen leuchten und für einen Moment strahlt er über das ganze Gesicht. In mir wird es plötzlich ganz still und friedlich und ein Gefühl der tiefen Dankbarkeit steigt in mir auf. Mehr brauche ich nicht. Situationen mitten im Alltag, die das Herz berühren.

Oder war es etwa tatsächlich…? … Ihr könnt Heinz treffen. Wo er zu finden ist, das wisst Ihr ja jetzt. In diesem Sinne noch einen schönen Advent und eine friedvolle, gesegnete Weihnachtszeit!

  • Name von der Redaktion geändert.

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Hallelujah